Rechtstipp

028 Notwehr und Selbsthilfe bei Straßenblockaden

Blockierte Straßen I Notwehr gegen festgeklebte Klimakleber I Darf man das? I Was ist erlaubt?

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Beleidigung, Körperverletzung, Nötigung und weitere Delikte können  durch die Autofahrer im Raum stehen.

Ist die Strafverfolgung dieser Autofahrer aber nicht unfair? 

Haben Sie sich nicht einfach nur gegen den Angriff durch die Blockierer gewehrt?

Vielleicht.

Aber Strafrecht ist keine einfache Sache in der es nur Schwarz oder Weiß gibt. Da gibt es viele gefährliche Grautöne. Also aufgepasst. Wir schauen uns zuerst einmal an, welche Straftaten möglicherweise begangen wurden.

1. Beleidigung, der Klassiker

Spinner, Idioten oder andere nette Freundlichkeiten fallen bei solchen Auseinandersetzungen regelmäßig. Das sind Beleidigungen. Beleidigungen können aber strafbar sein. Bejaht irgendwann ein Strafrichter das Vorliegen einer Beleidigung, drohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu 2 Jahren.

2. Körperverletzung, auch gerne gesehen

Manche Autofahrer waren so genervt und gestresst, dass sie Blockierer von der Fahrbahn weggezogen und fallen gelassen oder auf diese eingeschlagen haben. Das könnte eine Körperverletzung sein. Hierfür droht eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren wegen Körperverletzung.

3. Nötigung

Jemanden wegzutragen kann auch Nötigung sein. Ist es aber überhaupt Gewalt, jemanden wegzutragen? Ja. Denn auch hier wird körperliche Kraft eingesetzt und körperlich auf jemanden eingewirkt.

Nötigungserfolg ist das Dulden, weggetragen zu werden.

Aber, waren diese Handlungen nicht gerechtfertigt und damit straffrei?

Schließlich haben die Blockierer zuerst angefangen. Nicht die blockierten Autofahrer. Man könnte da an Notwehr als Rechtfertigung denken.

Im Notwehrparagraphen § 32 StGB steht, dass man sich gegen einen gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriff wehren darf.  
Wichtig ist also, der Angriff muss gegenwärtig und zugleich rechtswidrig sein.

Die Nötigung durch die Blockierer ist ein noch andauernder Angriff auf die Willensfreiheit der Autofahrer. Die Freiheit, den Willen umzusetzen, einfach weiterzufahren. Der Angriff ist also gegenwärtig. Rechtswidrig war dieser Angriff auch, weil das Recht des Autofahrers einfach weiterzufahren, verletzt wurde.

Diese Notwehrlage erlaubt es nun dem Autofahrer eine Verteidigungshandlung, die den Angriff sicher abwehren kann.

Hier gilt aber:
Stehen gleich effektive und mildere Mittel zur Verfügung, so müssen die Milderen genutzt werden.

Ein milderes Mittel wäre z. B. das Einreden auf die Aktivisten, was aber wohl entweder gar nicht funktioniert oder jedenfalls nicht sicher die verübte Nötigung beenden kann. Ein milderes Mittel könnte auch das Warten auf Polizisten und deren Räumung sein. Ob das gleich effektiv ist, auch mit Hinblick auf die damit verbundene zeitliche Verzögerung, ist mehr als fraglich.

Hier gilt aber, der Autofahrer muss sich in solch einer Notwehrlage, nicht auf unsichere Mittel zur Abwehr einlassen. Jetzt muss aber ganz genau zwischen den einzelnen Reaktionen der Autofahrer unterschieden werden:

Wurde die Blockierer „nur“ weggetragen?

Wurden sie weggetragen und fallen gelassen und dabei verletzt?

Dürfen Autofahrer vielleicht sogar einfach weiterfahren und über die Blockierer fahren und so für die eigenen Rechte einstehen?

4. Beleidigungen

Zu einem Blockierer Spinner, Idiot, Depp oder ähnliches zu sagen, ist nach meiner Erfahrung kein geeignetes Mittel, um jemanden zu etwas zu bewegen. Meist wird man da bestenfalls zurück beleidigt.  Eine Notwehr ist also dafür nicht begründbar.

5. Wegtragen der Blockierer

Ein milderes, aber gleich wirksames Mittel, um weiter fahren zu können als Wegtragen, sehe ich nicht. Die denkbare Einschränkung, dass der Autofahrer sich dadurch rechtsmissbräuchlich verhält, besteht auch nicht. Insbesondere ist dies kein krasses Missverhältnis mehr.

6. Wegtragen und Fallenlassen der Blockierer

Klar wäre das mildere Mittel das Wegtragen ohne das Fallenlassen. Aber der Autofahrer trägt keine allzu ausgeprägte Pflicht zur Rücksichtnahme bei seiner Notwehrhandlung.

Er muss sich dabei nicht auf unsichere Verteidigungsmöglichkeiten einlassen. Ein krasses Missverhältnis besteht hier auch noch nicht. Der Autofahrer handelt natürlich auch mit dem Willen, sich zu verteidigen. Das Wegtragen im Rahmen der Notwehr wäre daher gerechtfertigt ist.

7. Dürfen Autofahrer vielleicht sogar über die Blockierer fahren und so ihr Recht auf freie Fahrt durchsetzen?

Natürlich nicht. Das ist alleine deshalb strafbar, weil es in keinem Fall das mildeste Mittel ist.

Eine straflose Notwehr scheitert aber auch daran, dass eine Straßenblockade und Überfahren eines Menschen als Reaktion in einem krassen Missverhältnis zueinander stehen. Bei einem solchen Missverhältnis ist die Grenze dessen, was durch Notwehr gerechtfertigt werden kann, immer überschritten.

Überfahren wäre zwar ein geeignete Handlung, aber auf keinem Fall das mildeste Mittel, damit ein Autofahrer sein Recht auf freie Fahrt durchsetzen kann. Ein Überfahren der Blockierer wäre also nicht mehr durch Notwehr gerechtfertigt.

Wenn ihr in eine solche Situation kommt wäre mein Rat: Behaltet einen kühlen Kopf. Lasst euch nicht unnötig provozieren und in unübersichtliche Konflikte reinziehen.

Auch wenn ihr einen wichtigen oder dringenden Termin habt, denkt einfach daran, die Polizei wird solche Straßenblockaden meist unter 1 Stunde auflösen und ihr könnt weiterfahren. Der Klügere gibt nach.


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