Verhandlung vor dem Strafgericht - Zeit um die Wahrheit zu finden?
Die meisten Strafverfahren werden beim einfachen
Strafrichter, also dem Einzelrichter am Amtsgericht angeklagt. Dieser
Einzelrichter ist alleine zuständig bei einer zu erwartenden Freiheitsstrafe
von maximal zwei Jahren. Bis vier Jahre Freiheitsstrafe darf ein Richter am
Amtsgericht zusammen mit zwei Schöffen als Vorsitzender des Schöffengerichts verhängen.
In der Regel ertrinkt er in Fällen und Arbeit. Um nicht völlig in Arbeit
unterzugehen, müssen einzelne, kleine Strafverfahren schnell abgearbeitet und
mit Urteil beendet werden. Maximal zwei bis drei Stunden Verhandlung je
Strafverfahren sind fast schon zu viel.
Neben den vielen, in jeder Woche abzuurteilenden Strafverfahren, muss dieser
Strafrichter noch zahllose Verfahren aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht
bearbeiten. Nicht nur einfache 08/15 Verfahren aus dem Straßenverkehrsrecht bei
denen es oft nur um wenig geht, sondern auch aus komplexen und exotischen
Nebengebieten, von denen er vorher noch nie etwas gehört oder gelesen hat.
Vielleicht ist dieser Strafrichter auch noch zusätzlich Ermittlungsrichter?
Dann heißt es, alles muss immer sofort und schnell gehen:
Ständige Vorlage von Durchsuchungs-, Telefonüberwachungsbeschlüssen,
Beschlagnahmeanordnungen oder -bestätigungen. Alles zwischen den laufenden
Strafverhandlungen, der Urteilsabfassung, den Fahrten zu forensischen Kliniken
zur Unterbringungsanhörung, usw. Falls diese Arbeitsbelastung immer noch nicht
reicht, so ist er an Ihrem Verhandlungstag vielleicht noch vertretungsweise
Haftrichter. Während den laufenden Verhandlungen warten dann vorläufig
Festgenommene auf die erste und wichtigste Weichenstellung in deren
Strafverfahren.
Monatelange Untersuchungshaft oder Freiheit? Diese Arbeit ist sehr fordernd und
anspruchsvoll. Stimmt genau. Weshalb machen dann unerfahrene und blutjunge
Berufsanfänger und keine erfahrenen alten Hasen diese Arbeit?
Eine völlig andere Welt scheint beim Landgericht/Schwurgericht oder gar
Oberlandesgericht zu herrschen, wenn Presse und Fernsehen über die Verfahren
ausführlich berichten. Dann scheinen plötzlich Zeit und Verfahrenskosten keine
Rolle zu spielen, um die Wahrheit zu erforschen. Leider sind Sie aber nicht der
Rockerboss Kadir Padir vor dem Landgericht Berlin mit 300 Verhandlungstagen und
5 Jahren Verfahrensdauer und auch keine Beate Zschäpe mit ebenfalls mehr als 5
Jahren Verfahrensdauer und Verfahrenskosten von 37 Millionen Euro vor dem
Oberlandesgericht München Beispiele für den üblichen Aufwand einer
Hauptverhandlung. Sie und Ihr Fall kommen vor das Amtsgericht. Auf den
gewaltigen Aktenberg des Strafrichters, der Ihren Fall am besten an einem
Vormittag mit einem Urteil beenden soll. Wenig Zeit, um die Wahrheit und ein
gerechtes Urteil zu finden.